Agriakona 13

Castel San Pietro Terme, Emilia-Romagna, Italia

Die dreizehnte Woche: Donnerstag, 12. bis Mittwoch, 18. Dezember 2024

Nach einer ruhigen Schiffspassage sind wir mit Einbruch der Dunkelheit in Ancona angelandet, dem alten italienischen Hafen, der auch einmal eine griechische Stadt war. Die 20stündige Reise haben wir vorwiegend schlafend und schreibend verbracht, unterbrochen von unzähligen zweisprachigen Lautsprecherdurchsagen, von deren Inhalt uns immer nur der Anfang und sein Ende erreichten: „La vostra attenzione prego, … , grazie!„ / „Dear guests, … , thank you!“. Trotz intensiven Lauschens löste sich die Bedeutung der dazwischenliegenden Worte stets in diverse verzerrende Effekte auf. Unmittelbar sahen wir uns in die ungemein realistischen Filme von Jaques Tati versetzt, in denen vom semantischen Inhalt der reichlich eingesetzten sprachähnlichen akustischen Ereignisse gleichsam wenig verstanden wird.

Am Vorabend, an der Passagierkontrolle in Igoumenítsa, wurde ich Zeuge davon, wie Gepäck und Kleidung des direkt vor mir wartenden Mannes eingehend und zeitfordernd untersucht wurden. Als ich schließlich vor die Kontrolleurin trat, die, gehüllt in die schwarze Uniform der griechischen Jugend, unter ihrer Νάνα-Μούσχουρη-Frisur eine ernste Mine zur Schau stellte, kam ich glimpflich davon. Mit flüchtigem Blick verglich die Dame Pass und Fährticket, um die Amtshandlung mit einer eiligen Kopfbewegung in Richtung Hafen abzuschließen. Wie nahezu alle griechischen Menschen, die wir in den zurückliegenden Wochen getroffen haben, beantwortete sie mein „για σασ“ mit einer englischsprachigen Phrase, deren Bedeutung ich kaum erahnte.

Eine wohltuende Ausnahme in der Reihe dieser Sprachverwirrungen hatte sich vor einer Woche ergeben, als wir die AiM-Künstlerin María Moustoú in Trípoli besucht haben, denn María weiß sich ausschließlich in ihrer Muttersprache zu verständigen. Seit Wochen hatten wir Emails mit griechischen Texten ausgetauscht, denn für zwei künftige AiM-Ausstellungen benötige ich von ihr eine Menge an Informationen. In Trípoli sprachen wir also ausschließlich Griechisch. Zugegeben: bei allem Fortschritt verlief die Kommunikation   schleppend und lückenhaft. Uta und ich aber schlugen uns wacker durch vier intensive Übungsstunden. Und wir fanden endlich ein wenig Wertschätzung für unser Bestreben, die Sprache des Gastlandes zu erlernen.

Das Vokabular verirrt sich in dieser Zeit, geradeso als ob schon Pfingsten wäre. Aber auch das Klima scheint verrückt zu spielen. Vor wenigen Tagen fanden wir im Olivenhain auf der Peloponnes den ersten wilden Spargel, ein Gemüse, das in zurückliegenden Zeiten als Frühlingsbote galt. Aufgebrochen zu unserer Rückreise in den Norden, tanzt später am Amvrakikós kólpos eine dichte Wolke ziehender Stare in Gegenrichtung an uns vorüber.

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