Agriakóna 12

Káto-Rígklia, Dytikí Máni, Elláda

Die zwölfte Woche: Donnerstag, 05. bis Mittwoch, 11. Dezember 2024

Gerade fiel die Tür hinter mir ins Schloss, nachdem ich draußen noch einige Minuten dem Gesang der Schakale gelauscht habe, die sich in den Hügeln auf ihre allabentliche Wanderung ins Tal vorbereiten. Wir haben 12 Grad, es ist finster und ein Halbmond rivalisiert am Firmament mit Venus, die hier Αφροδίτη heißt und auf Zypern bereits vor 13000 Jahren verehrt wurde. Heute hat die kurze Regenzeit, die alle Wege seit gut drei Wochen mit rotem Schlamm verziert, eine Pause eingelegt. Wir hoffen auf Trockenheit bis mindestens Samstag, um endlich die dringlichsten Arbeiten im Garten erledigen zu können. Und noch immer sitzt vor dem Tor die Hälfte eines gigantischen Konvoluts aus Erde und Steinen, das eigentlich längst in den Tiefen der alten Sickergrube beerdigt werden sollte, denn unser Freund Ágim möchte bei nächster Gelegenheit damit beginnen, den Weg zu erneuern, der sie überwölbt.

Das nasse und gewittrige Ambiente der zurückliegenden Woche hat nicht nur der Natur gut getan. Weitgehend ins Haus verbannt, haben auch Uta und ich mit Δήμητρα, der Göttin des Lebens und der Fruchtbarkeit kooperiert und Dinge entstehen lassen, die vorher nicht existierten. Mit der unverzichtbaren Hilfe unserer chinesischen Freundin Mei wurde endlich das Glasfenster fertiggestellt, das nun die Verbindung zwischen meinem Atelier und der Bibliothek ziert! Es zeigt eine tanzende Gestalt in blauem Rock, die, einen Hügel besteigend, dem Himmel grüne Zweige als Geschenk darbietet. Während ich diese Zeilen schreibe, blicke ich immer wieder hinüber zu dem schmalen Glasbild, das nun ein fester Bestandteil des kleinen Museums geworden ist, das die vier Wände von  Agriakóna beherbergen.

Hier fühle ich mich wohl und kann mich gut auf das Arbeiten konzentrieren. Am Besten natürlich in meinem winzigen Atelier, in das ich mich jeden Tag zum Schreiben und zum Beschnitzen von Linoleumplatten zurückziehe. Hin und wieder entsteht ein Probedruck. Die anvisierte Serie wird aber in Deutschland gedruckt werden. Wir werden nächsten Dienstag aufbrechen, die Fähre nach Italien nehmen und hoffentlich am Abend des 20. Dezember in Oberhausen ankommen.

Einen ersten Schritt in Richtung Italien haben wir am Sonntagabend genommen, als wir eine Aufzeichnung der Verdi-Oper Don Carlo vom September aus der Wiener Staatsoper verfolgen durften. Unterbrochen von zahlreichen Donnerschlägen und Stromausfällen, die die ohnehin nicht kurze Aufführung auf mehr als fünf Stunden verlängerten, waren wir der Dramatik der Elisabeta verfallen, verkörpert durch die unglaubliche litauische Sopranistin Asmik Grigorian.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0