Káto-Rígklia, Dytikí Máni, Elláda
Die erste Woche: Dienstag, 17. bis Mittwoch, 25. September 2024
Bis zum Sonnenuntergang hält der Duft der Feigen seine wärmende Haube über den Garten des Panteleímonas. Dann kommen die Nachttiere aus ihren Erdverstecken, Fledermäuse umrunden den Laternenturm der Kapelle und Licht um Licht webt sich am Himmel ein neuer Sternenteppich. Der Westen, der hinter dem ersten Finger der Peloponnes wohnt, lud an jedem der sieben zurückliegenden Abende zu einer neunen Bilderausstellung ein. Meist wurden expressive dramatische Lichtspiele hinter bizarren Wolkenkanten inszeniert. An anderen Abenden gab es weit ausgestrichene Pastelllinien, Parallelen mit Übergängen aus delikaten Schattierungen im roten und blauen Farbspektrum. Nur am Freitag schob sich mit scharfem Keil ein Gewitter dazwischen und hieb mit schwarzem Donner auf die Olivenhaine der nachtwarmen Bucht ein. Immer aber blieb es mild bis zum Morgen.
Als wir vergangenen Dienstag-Abend an unserem Häuschen auf Agriakóna ankamen, unterzogen wir Bett und Küche zunächst einer kurzen Reinigung und liefen bald hinunter ans Meer, um uns bei Mondschein in die Wellen zu werfen - Flocke legte im Garten einen Freudentanz hin und durchstromerte ausgiebig die geliebten Olivenhaine. Wir kamen direkt von Igoumenítsa in Ípeiros, wo uns die Fähre aus Brindisi am Morgen ausgespuckt hat. Die letzten Wochen hatten wir in der apulischen Großstadt Taranto gelebt, in einem lauten, verdreckten Arbeiterviertel, von dem aus wir jeden Morgen zur Galerie wanderten, um unsere Ausstellung zu öffnen. Wie jedes Mal ruft ein Besuch in Puglia auch jetzt gemischte Gefühlen hervor, wenngleich das Wiedersehen der Freunde und das gute italienische Essen stärker wiegen als die allgegenwärtige Umweltverschmutzung und die über Stadt und Land dicht verstreuten Bauruinen, die zumeist aus dem 20. Jahrhundert stammen. Auch war die Ausstellung erfolgreich, sodaß wir mit deutlich reduziertem Gepäck nach Griechenland weiterreisen konnten.
Mit der Ankunft in Agriakóna fiel sofort ein gewichtiger Teil der Anstrengungen der vergangenen Zeit von uns ab. Hier fühlen wir uns wie in einem Paradies, was vor allem bedeutet, daß wir uns sinnvollen Tätigkeiten hingeben. Uta und ich arbeiten nun jeden Tag einige Stunden im Garten oder reparieren, putzen und räumen im Haus. Morgens und abends geht es an den Strand, meist auch zum Schwimmen - und Uta kümmert sich um die sozialen Kontakte. Zu gewohnter Stunde findet wieder der Unterricht bei unserer Griechisch-Lehrerin Sophia statt. Bereits am letzten Mittwoch trafen wir auf der Straße zufällig die Künstler-Freundin Holly Drewett, die für einen Tag von Athína gekommen war; am Donnerstag besuchte Uta ihre chinesische Freundin, die Glaskünstlerin Mei, am Samstag trafen wir unseren in Frankreich lebenden Artist in Motion, Eric Schaftlein in einer Teams-Konferenz, am Sonntag waren wir bei den albanischen Nachbarn Shkéndi und Agím eingeladen und gestern genossen wir ein gemeinsames Mittagessen im Strandrestaurant mit Mei und ihrem niederländischen Mann Jort.
Auch unsere künstlerische Arbeit kam nicht zu kurz. Uta investierte viel Zeit in die Organisation einer kollektiven Aktion für unsere europaübergreifende Künstler:innengruppe AiM, aus der Ende des nächsten Jahres ein hochwertiges Künstlerbuch entstehen soll. Nebenbei bereitete sie sich noch für die Jahreshauptversammlung von Euroart vor, der Vereinigung der Europäischen Künstlerkolonien, die ab kommenden Freitag in Frankreich stattfinden wird. Ich genoss es, jeden Tag kleine Zeichnungen und Collagen anzufertigen und wieder zu schreiben - beispielsweise eine Rede für Uta, denn sie wird mich, den Vorsitzenden von AiM, in Frankreich vertreten.
Damit sie dort rechtzeitig ankommt, übernachtet Uta heute in Athína im Wohnatelier von Holly Drewett und Nemo Nonnenmacher - ihr Flug nach Paris geht früh am Morgen. Ursprünglich hatten wir geplant, dass ich Uta nit dem Auto in das eine Stunde entfernte Kalamáta bringe und sie dort in den Bus nach Athína einsteigt. Als wir mittags am Busbahnhof eintrafen, waren allerdings alle Plätze vergeben, sodaß wir die gesamte Strecke mit unserem alten Pkw zurücklegen mussten. Als ich abends um Sieben zu Flocke zurückkam, war sie neun Stunden alleine im Haus gewesen. Wir wussten, daß wir uns auf den geduldigen Hund verlassen können, dauern doch die Überfahrten mit der Fähre noch länger.
Es ist spät geworden. Flocke hat zum Sonnenuntergang einen langen Spaziergang bekommen, ich habe mir ein Essen gekocht und darf mich jetzt endlich dem Schreiben widmen. Von gegenüber schalt noch das allabendliche Schreiritual herüber, mit dem unsere albanischen Nachbarskinder ihre Eltern davon abhalten, sie ins Bett zu bringen. Irgendwann wird es ihnen gelingen.
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