Mani 15

Káto-Rígklia, Dytikí Máni, Elláda

 

Die 14. Woche: Donnerstag, 29. Februar bis Mittwoch, 06. März 2024

 

Von Vielem könnte ich berichten, was uns in der zurückliegenden Woche beschäftigt hat:

 

-        dem stundenlangen Einlesen von Daten in online-Veranstaltungskalender,

 

-        Utas konsequentem Arbeiten an ihrem Glasbild,

 

-        dem Entschlüsseln der griechischen Worte eines Gedichtes von Kòstas Hatzís,

 

-        den 100 Schritten beim Konzipieren eines Kataloges für die AiM-Ausstellung in Schottland,

 

-        den Besuchen von Freunden und Nachbarn in unserem Häuschen Agriakóna,

 

-        den täglichen Kochenritualen in Utas Atelier,

 

-        den umfangreichen Korrespondenzen mit Künstler:innen und Förderern unserer Projekte,

 

-        dem gierigen Verschlingen von Eric Kandels gesammelten Daten über die Gehirnstrukturen des Unterbewussten,

 

-        Utas Vorarbeiten zum Legen eines neuen Mosaiks für den Garten,

 

-        dem Malen, Zeichnen und Collagieren.

 

Wie immer haben uns aber in besonderer Weise die Naturerlebnisse berührt. Und wenn wir dem Wunderbaren begegnen, finde ich oft nicht die richtigen Worte. Trotzdem möchte ich von vier dieser Sensationen, denen wir an jedem Tag ausgesetzt sind, erzählen.

 

Die langgestreckte Halbinsel Máni, auf der wir leben, zeichnet sich durch eine landschaftliche Vielfalt aus, die sich besonders im Winter erfahren lässt. Bekannt für den kargen Gebirgszug, der ihr Rückgrat bildet, die lebensunwirtlichen Felsen und das allzeit an ihnen nagende Ionische Meer, ist sie doch seit Jahrtausenden auch eine Kulturlandschaft. In den Buchten und auf den Hochebenen stechen weiß und rosa die blühenden Mandelbäume aus den flächendeckenden Olivenhainen heraus, die buntgefärbte Blumenteppiche und sattes Grün beherbergen. Im Unterschied zu den anderen Regionen Griechenlands fügen sich hier die meisten der Häuser diskret in die Landschaft ein, denn jedes neue Gebäude darf nur als traditioneller Natursteinbau errichtet werden. Viele der Dörfer waren bereits in der Antike bewohnt, andere wurden später von Slawen, fränkischen Rittern und Türken gegründet. Auf einer Wanderung auf dem Ακρωτήριο Τηγάνι, einem weit in die See hineinragenden Kap in der Form einer Bratpfanne, trafen wir auf die Reste einer frühchristlichen Basilika, die weiträumig von flachen steinernen Becken umgeben ist. Aus Patrick Lee Fermors „Máni“-Buch wusste ich, dass es sich dabei um Sammelbecken zur Salzgewinnung handelt.

 

Das Wetter hat uns an jedem einzelnen der letzten sieben Tage ein anderes Gesicht gezeigt. Einen Abend verbrachten Uta und ich dicht am hochgeheizten Ofen, am nächsten Morgen stand ich nackt im sonnenerhitzten Atelier. Nachdem wir frisch gewaschene Wäsche auf dem Balkon unter blauem Himmel aufgehängt hatten, verfinsterte sich der Himmel binnen einer Stunde und ein Gewitter begann länger als fünf Stunden lang in der Bucht zu toben. Im Morgengrauen kam es mit neuer Gewalt zurück. Dort, wo wir vor zwei Monaten die neue Sickergrube in die Erde eingegraben hatten, zeichnet sich nun ein Kreis ab, der allen esoterischen Ansprüchen genügen dürfte.

 

Scheinbar unbeeindruckt von den Wassermassen, der sengenden Hitze und den Stürmen, teilt eine Vielzahl von Tieren ihren Lebensraum mit uns. Neben den domestizierten Schafen, Ziegen, Pferden, Hühnern und Rindern, die gerade reizenden Nachwuchs bekommen haben, lassen sich auch viele Wildtiere hören und sehen. Auf unseren tägliche Spaziergängen zu Meer, umflattern uns Scharen von Singvögeln, darunter besonders viele Gartenrotschwänze, diverse Meisenarten und Mönchsgrasmücken. Wir begegnen orange-roten Schmetterlingen, einigen Eidechsenarten, der Griechischen Landschildkröte, der Erdkröte und sogar schon den ersten Schlangen. Abends sitzt manchmal ein Europäischer Halbfinger an der Zimmerdecke, während draußen das Steinkäuzchen ruft, die Schakale heulen und Flocke die Geräusche der Wildschweine ortet, die uns meist verborgen bleiben.

 

Und jeden Tag warten wir auf den Sonnenuntergang, der uns bei klarem Himmel, und noch dramatischer bei wolkendurchsetztem Horizont, mit seinen Lichtspielen verzaubert. Selbst wenn über dem Meer dunkle Wolken hängen und das gesamte Sehfeld von Blitzen durchschnitten wird, stehen wir andächtig am Fenster und schauen nach Westen, denn selbst unter extremen Bedingungen löst sich manchmal ein Schimmer aus der grauen Wand und ein violetter Schein überzieht für Sekunden die Hänge des Ταΰγετος-Gebirges.

 

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